Seit vergangener Woche hat sich die Flamingogruppe im Münchner Tierpark knapp halbiert – was zunächst nach einer weniger guten Nachricht klingt, ist jedoch das Ergebnis einer wissenschaftlichen Weltpremiere. Denn erstmals konnte dank einer Gen-Analyse ermittelt werden, um welche Flamingo-Art es sich bei dem jeweiligen Tier handelt: Rote Flamingos, Rosaflamingos oder eine Mischform?

Dass die Rosaflamingos nicht ganz so kräftig pink leuchten wie die Roten Flamingos ist für den Laien im Regelfall noch leicht erkennbar. Doch was, wenn es sich um einen „Flamingo-Hybrid“, also eine Mischung aus Rotem und Rosa Flamingo, handelt? Historisch bedingt lebten bis vor kurzem im Tierpark Hellabrunn sowohl Rosaflamingos, Rote Flamingos als auch deren gemeinsamer Nachwuchs, die sogenannten Hybride. Das führte dazu, dass es seit 2019 keinen Flamingo-Nachwuchs mehr in Hellabrunn gab, schließlich wollte man weitere Flamingo-Hybriden vermeiden. „Während die Roten Flamingos eben noch leicht von den rosa Tieren unterscheidbar sind, war bisher die Schwierigkeit, wirklich alle Hybride zu identifizieren“, erklärt Lena Bockreiß, in Hellabrunn zuständige Kuratorin unter anderem für Flamingos. „Deshalb haben wir uns Unterstützung aus der Wissenschaft geholt, um per Gen-Analyse wirklich zweifelsfrei zu ermitteln, um welche Flamingo-Art es sich bei dem jeweiligen Tier handelt“.

Prof. Dr. Willems von der Justus-Liebig-Universität in Gießen gelang es in Zusammenarbeit mit dem Tierpark Hellabrunn erstmals, die Art aller 94 in Hellabrunn lebenden Flamingos zu ermitteln. Das Ergebnis: 55 Rosaflamingos, zwei Rote und 37 Hybride. „Somit konnten wir entscheiden, welche Tiere wir in andere Zoos abgeben und welche wir behalten, um zukünftig im Tierpark gemäß des Zuchtbuches eine reine Rosaflamingo-Gruppe zu halten und wieder Nachzuchten zu ermöglichen,“ so Lena Bockreiß weiter. Die weltweit erstmalige wissenschaftliche genetische Differenzierung von Rosaflamingos, Roten Flamingos und deren Hybriden ist ein wichtiger Beitrag für die Forschungsleistung in zoologischen Einrichtungen und wird im kommenden Jahr auch im Detail publiziert.

Die rot und rotrosa gefiederten Flamingos sind Ende letzter Woche in die Zoos Sosto in Ungarn  und Laczna in Polen sowie in den Zoo Köln umgezogen. Die im Tierpark verbleibenden Tiere wurden zur besseren Erkennung neu beringt. Das hilft unter anderem auch, Brutpaare besser zu erkennen. Tierparkdirektor Rasem Baban ist schon gespannt auf den nächsten Sommer: „Es freut mich, dass wir nun unsere Flamingogruppe durch Nachzuchten wieder vergrößern können und ich drücke alle Daumen, dass wir im Frühling zahlreiche Brutpaare beim Ausbrüten der Eier und der Aufzucht der Jungtiere beobachten können“.

Ein selbstgebauter Schlammkegel dient Flamingos als Brutplatz. Nach rund 30 Tagen schlüpft das Küken, das von beiden Elternteilen umsorgt wird. Hierbei produzieren beide Vögel im oberen Verdauungstrakt eine sogenannte Kropfmilch, die der Muttermilch von Säugetieren sehr ähnlich ist.

Flamingos zählen zu den ältesten Vogelgruppen. In ihrer jetzigen Form leben sie bereits seit 30 Millionen Jahren auf der Erde. Rosaflamingos kommen in Asien, Afrika und Süd-Europa vor. Aufgrund ihrer guten Anpassungsfähigkeit bewohnen sie nicht nur die gemäßigten Klimazonen, sondern auch kältere Regionen – das erklärt, warum die Hellabrunner Flamingos auch bis zu Temperaturen nahe der Null Grad in ihrer im Frühjahr 2022 übernetzten Anlage draußen an einem Seitenarm des Auer Mühlbaches leben können. Erst wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, werden die Tiere in ein beheiztes Haus gebracht.

Die leuchtende Farbe ihres Gefieders erhalten Flamingos auch in Hellabrunn durch Carotinoide in ihrer Nahrung, die als Farbstoff in den Federn abgelagert werden. Sobald das Nahrungsangebot an Algen und Krebsen nachlässt, verblasst die typische Färbung der Vögel.