Seit dem 1. Januar 2024 führt die zoologische Kuratorin und Biologin Lena Bockreiß das Internationale und das Europäische Erhaltungszuchtprogramm für Vikunjas und stellt sich die Frage: Wer mit wem und wie oft? Denn mit dem ISB und dem EEP wird von Hellabrunn aus die Zucht von Vikunjas in Zoos weltweit koordiniert.

Vikunja? Was war das nochmal für ein Tier? Oft werden die hellbraunen Neuweltkamele mit Alpakas verwechselt. Mit denen sind sie zwar verwandt, Alpakas jedoch sind Haustiere, während Vikunjas in sehr hohen Lebensräumen leben – mit bis zu 5000 Metern über dem Meeresspiegel sind sie die am höchsten lebenden Huftiere. Im Tierpark Hellabrunn leben aktuell drei Vikunjas gemeinsam mit Wasserschwein, Darwin-Nandu und Pampashase auf der Südamerika-Anlage.

Weltweit gibt es 322 Vikunjas (Stand Ende 2022) in zoologischen Gärten, genauer, in 81 Zoos oder Tierparks. Daten und Fakten über diese Tiere werden in einem EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm), registriert, welches seit 1. Januar 2024 im Tierpark Hellabrunn gemanagt wird. Denn Kuratorin und Biologin Lena Bockreiß ist seit kurzem EEP- und ISB- (International Studbook) Koordinatorin für Vikunjas. Sie übernimmt das Zuchtbuch vom langjährigen Koordinator Dr. Christian R. Schmidt.

Das heißt, bei ihr werden nun sämtliche Daten über im Zoo lebende Vikunjas gesammelt. Aber nicht nur Daten werden ermittelt, Lena Bockreiß gibt künftig auch Zucht- und Transferempfehlungen ab. Sie hat damit den Überblick darüber, welche Vikunjas sich untereinander fortpflanzen können und in welchen Zoos wie viele Tiere welchen Geschlechts leben. „Es ist sehr wichtig, dass die genetische Vielfalt erhalten bleibt und zusammengesetzte Gruppen in optimaler Haltung leben. Außerdem werden jährlich Transfer-Vorschläge unterbreitet, die auch Transport- und grenzüberschreitende Veterinärprobleme berücksichtigen“, erklärt Lena Bockreiß.

Nur vier Hengste und acht Stuten, die zwischen 1949 und 1971 aus Südamerika importiert wurden, begründeten die heutige gesunde Zoopopulation von rund 300 Vikunjas. Damit dies so bleibt, ist die Führung eines Zuchtbuches unerlässlich. Aber nicht nur Daten zu Zucht- und Transfer-Empfehlungen werden im Rahmen eines EEPs ermittelt. Dr. Christian R. Schmidt, der von 1985 bis 2023 das Vikunja-Zuchtbuch führte, fand heraus, dass die hauptsächliche Geburtssaison in der Nordhemisphäre von August bis Oktober sich gegenüber derjenigen in der Südhemisphäre um genau sechs Monate verschoben hat. Sogar in der 6. Zoogeneration werden knapp 80 Prozent aller Vikunja-Jungtiere vormittags geboren. Genau wie im natürlichen Lebensraum von Vikunjas, wo diese Geburtszeit überlebenswichtig ist.

„Alle Daten, die wir durch das EEP registrieren, dienen letztendlich den Tieren und dem Wissen über die Art“, so Lena Bockreiß und weiter: „Aktuell sind Vikunjas laut Roter Liste der IUCN zwar nicht gefährdet, sie waren jedoch in den 1960er-Jahren stark bedroht. Dank internationaler Bestrebungen und Zuchterfolgen in Zoos hat sich auch der Bestand in der Natur gut erholt.“

Neben dem EEP für Vikunjas koordiniert der Tierpark Hellabrunn das Monitoring, sozusagen eine Vorstufe des Zuchtbuches, für Leopold-Stechrochen sowie das ISb und bis 2023 das EEP für den Drill. Insgesamt gibt es für über 400 Tierarten EEPs.

„Dank eines gut geführten EEPs, das gesunde Tiere und einen optimalen Genpool gewährleistet, können wir als Tierpark auch dazu beitragen, Tiere zur Bestandsstützung bzw. zur Wiederansiedelung zur Verfügung zu stellen. Das ist aktiver Artenschutz und die wichtigste Säule eines wissenschaftlich geführten Zoos“, ergänzt Tierparkdirektor Rasem Baban.

Ein Vikunja mit Jungtier sitzend auf dem Gras
Copyright: Tierpark Hellabrunn / Maria Fencik