
Der Tierpark Hellabrunn freut sich über eine besondere Bereicherung in der „Welt der kleinen Affen“: Seit wenigen Wochen leben hier erstmals Zweifarbentamarine (Saguinus bicolor). Die auffällig gezeichneten Krallenaffen mit dem charakteristischen schwarzen, unbehaarten Gesicht und dem schneeweißen „Mantel“ gelten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in Brasilien als vom Aussterben bedroht.
Auffällige Merkmale – klein, wendig, unverwechselbar
Zweifarbentamarine sind kompakte, sehr agile Krallenaffen: Sie erreichen eine Kopf-Rumpf-Länge von rund 30 cm, dazu kommt ein etwas längerer Schwanz. Das Gewicht liegt bei etwa 500 g. Typisch ist der starke Farbkontrast: weißes Fell an Schultern und Oberkörper, braun bis dunkelbraun am Unterkörper, dazu das schwarze, unbehaarte Gesicht mit deutlich sichtbaren Ohren. Wie alle Krallenaffen besitzen sie an Händen und Füßen (außer an der Großzehe) krallenartige Nägel, die ihnen das Klettern und Sprinten im Geäst erleichtern.
Lebensraum & Lebensweise – ein Stadtrand-Primat mit Mini-Verbreitung
In der Natur kommt der Zweifarbentamarin ausschließlich in einem sehr kleinen Gebiet rund um die Metropole Manaus im zentralen Amazonasgebiet vor. Ihr ursprünglicher Lebensraum sind die zusammenhängenden Regenwälder, aber zunehmend müssen sie sich mit kleinen, stark degradierten und stark fragmentierten Waldstücken um die stark wachsende Stadt begnügen. Zweifarbentamarine leben in Gruppen aus mehreren Männchen und mehreren Weibchen und umfassen zwischen zwei und fünfzehn Mitgliedern. Jede Gruppe hat ein dominantes Weibchen, das als einziges Weibchen zur Paarung zugelassen ist. Sie setzt ein Pheromon frei, das den Fortpflanzungszyklus der anderen Weibchen unterdrückt. Es werden meist Zwillinge geboren, die normalerweise von den Männchen getragen werden und nur zum Stillen zur Mutter kommen.
Neben Früchten und Blüten ernähren sich Zweifarbentamarine auch von zuckerhaltigen Baumsäften. Während der Trockenzeit, wenn diese Nahrungsquellen knapper werden, jagen sie kleine Tiere wie Insekten, Frösche und Eidechsen oder räubern Eier und Jungvögel. Mit ihrer Vorliebe für Früchte tragen sie zur Samenverbreitung bei – eine wichtige ökologische Rolle im Regenwald.
Gefährdungsstatus – vom Aussterben bedroht
Verena Dietl, Hellabrunner Aufsichtsratsvorsitzende und Münchner Bürgermeisterin begeistert sich für den Neuzugang: „Die neue Primatenart der Zweifarbentamarine im Tierpark zeigt eindrucksvoll, wie wertvoll internationale Zusammenarbeit im Artenschutz ist und welche Verantwortung wir mittels Hellabrunn auch als Landeshauptstadt mittragen. Ich bin stolz darauf, dass Hellabrunn solche Projekte ermöglicht und damit ein sichtbares Zeichen für nachhaltiges, globales Engagement in der Pflege und Nachzucht bedrohter Primatenarten setzt.“
„Die Ankunft der Zweifarbentamarine ist für uns in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: Sie sind faszinierende Botschafter einer einzigartigen, aber hochbedrohten Regenwaldwelt – und sie ermöglichen uns, Besucherinnen und Besucher ganz konkret für den Schutz kleiner, oft übersehener Primaten zu gewinnen“, sagt Rasem Baban, Tierparkdirektor in Hellabrunn „Gleichzeitig stärken wir mit der Haltung des adulten Pärchens sowie einem Jungtier das Erhaltungszuchtprogramm europäischer Zoos.“ so der Tierparkchef.
Dr. Hanspeter Steinmetz, stv. zoologischer Leiter in Hellabrunn erklärt „Die Art ist laut IUCN als ‚Critically Endangered (CR)“, ‘also vom Aussterben bedroht‘ eingestuft. Hauptgründe sind die fortschreitende Lebensraumzerstörung, dessen Zerschneidung durch Infrastruktur sowie die Konkurrenz mit dem weit verbreiteten Rothandtamarin (Saguinus midas).“ Der Tierarzt ergänzt „Gerade, weil das Verbreitungsgebiet der Zweifarbentamarine so winzig ist, können selbst kleine Schutzmaßnahmen Großes bewirken - durch Forschung und Aufklärung leistet Hellabrunn hier mit der Pflege der drei Tiere einen wichtigen Beitrag. Zudem werden wir perspektivisch mit den Zweifarbentamarinen auch nachzüchten dürfen, was unerlässlich ist für die Sicherung einer gesunden Reservepopulation.“
Hintergrundinformation: Die brasilianische Regierung hat seit 2009 172 Zweifarbentamarine für das Erhaltungszuchtprogramms weltweit an verschiedene Einrichtungen verliehen. Das Ziel ist es, eine Reservepopulation in den Zoos aufzubauen, deren Nachkommen nach der Wiederaufforstung in der Region wiederanzusiedeln. Über den Durrell Wildlife Conservation Trust, Jersey, in Großbritannien, dem die Leitung des Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) obliegt, erfolgt eine strenge Kontrolle zur Auswahl der teilnehmenden Zoos, den Haltungsbedingungen und möglichen Zuchtfreigaben. Die in Ex-Situ-Haltung befindlichen Individuen sind als Eigentum des brasilianischen Staates zu verstehen.
In Hellabrunn – Haltung mit Weitblick
Die Zweifarbentamarine sind ab sofort in der „Welt der kleinen Affen“ zu sehen. Wer ihren Schutz unterstützen möchte, kann dies zum Beispiel durch Patenschaften tun. Die Anlage in der „Welt der kleinen Affen“ bietet den Tieren eine strukturreiche Kletterlandschaft mit vielfältigen Sitz- und Ruheplätzen, vertikalen Laufwegen sowie versteckten Fütterungsstationen, die natürliches Such- und Manipulationsverhalten fördern.
Die bis vor kurzem in der „Welt der kleinen Affen“ lebenden Lisztäffchen verbleiben im Tierbestand Hellabrunns, befinden sich aktuell im rückwärtigen Bereich und werden nach notwendigen Umbauten an anderer Stelle des Tierparks mittelfristig wieder zu sehen sein. Wir halten alle Hellabrunn-Fans über unsere Social-Media-Kanäle auf dem Laufenden.